CLARA – Sturm auf Zeit

Später habe ich es mir in unserem großen Wohnzimmer gemütlich gemacht. Balthasar hat noch ein paar geschäftliche Dinge in seinem Arbeitszimmer zu erledigen und ich habe es in unserer Wohnung nicht mehr ausgehalten. Wie gut, dass ich meine Musik überall mit hinnehmen kann.

Ganz entspannt liege ich auf der großen Couch, blicke verträumt umher und höre mich durch meine momentanen Lieblingssongs. »Halo« von Beyoncé ist dabei und »Flashlight« von Jessie J. Zum Glück muss ich niemanden mit meinem Musikgeschmack belästigen, da ich den Klängen über meine Kopfhörer lausche.

Da betritt jemand das Wohnzimmer. Ich erschrecke ein bisschen. Nicht, weil da meine Schwiegermutter hereingekommen ist, sondern weil unser Wohnzimmer keine Tür hat, nur einen großen Torbogen. Mit Tür hätte ich es vielleicht schneller gemerkt, dass jemand eingetreten ist.

Sofort nehme ich die Kopfhörer ab und schalte meinen iPod aus. Ich setze mich auf. »Josefine! Hallo!«

Josefine steht da und zögert. »Darf ich reinkommen?« Diese Frage hat sich ja schon erübrigt. Aber wenigstens ist sie so nett und fragt. Abwartend steht sie da und hat die Bügel ihrer Handtasche fest umklammert.

»Natürlich. Komm rein!«

Josefine kommt zu mir. Sie streift ihren Rock glatt, bevor sie sich auf die Couch neben mich setzt. Dann wendet sie sich mir zu und sieht mir forschend ins Gesicht. Ihr Lächeln wärmt mich innerlich. »Clara, wie geht es dir?«

»Gut«, entgegne ich schnell.

Eigentlich stimmt das nicht. Wann ich auf diese Frage endlich mal wieder ganz ehrlich mit einem »Gut« antworten kann? Das wird noch eine Weile dauern. Da fällt mir ein, dass hier noch eine wichtige Person fehlt. »Hast du Michael nicht dabei?«

»Er ist zu Balthasar ins Arbeitszimmer.«

Aha. Interessant. Dann werden die beiden mich sicherlich bald zu sich rufen. Schließlich wollen wir ja keine Geheimnisse mehr voreinander haben. »Balthasar hat mir schon gesagt, dass Michael etwas von ihm wollte. Bei seinem letzten Besuch war er nur nicht in der Lage, auf ihn einzugehen.«

»Michael hat mir davon erzählt. Ihr macht alle gerade ganz schön was durch.«

»Das kannst du laut sagen!«

Die Leere, die John hier hinterlassen hat, wiegt auf einmal wieder ganz schwer. Hoffentlich holt mich Balthasar bald.

»Es wird besser mit der Zeit. Es dauert lange, aber es wird besser.« Josefines Lippen zittern.

Ich kenne niemanden, der John nicht gemocht hat. Er hatte so eine Art an sich, mit der er jeden für sich gewinnen konnte. Ich glaube, er war ein guter Beobachter, sehr empathisch. Er hat einfach immer gewusst, wie er an die Leute rankam.

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